08.04.2022

Der rhetorische Lauterbach – und was CEOs sich besser nicht von ihm abschauen.

Eine rhetorische Stil-Analyse von Markus Resch
#Rhetorik #Leadership #Medientraining

Das wirkt immer wieder: Wenn der Arzt sich zu uns beugt und mit sanfter Stimme sagt: „Das tut schon nicht so weh!“ Oder: „Das wird schon wieder!“ Vermutlich machen die guten Ärzte das seit hunderten von Jahren so. Immerhin ist die Wissenschaft der Rhetorik deutlich älter als die der Medizin. Und wer den Menschen schon in den ersten Worten aus dem Herzen spricht, der hat freie Bahn für Wirkung und Vertrauen.

Mit diesem Ethos arbeitet auch der Mediziner Karl Lauterbach immer wieder. Mitten in den unübersichtlichsten Corona-Wirren stellt er sich gerne hin und beginnt seine Ausführungen gerne mit Worten wie: „Ich erkläre es mal ganz einfach…“ „Endlich!“ seufzen dann alle, die nicht in Harvard studiert haben. Und lauschen dem klugen Karl, dem es dann auch immer wieder gelingt, die neuesten Studien, die er sich des nächstens reingezogen hat, klar auf den Punkt zu bringen. Meist liegt sein Resumee dann irgendwo zwischen Gefahr und Risiko. Das geht auch leicht rein. Alles klar! Und am Schluss vieler Reden und Statements beschwört Karl Lauterbach dann einen unverrückbaren Wert. Den Schutz der Menschen vor dem Tod. Die Ehre des Hohen Hauses. Oder seine eigene Person als Krone der wissenschaftlichen Schöpfung.

Das ist seit zweitausend Jahren der Dreiklang wirkungsvoller Rhetorik. Die Menschen in ihrem tiefen inneren Gefühl abholen, ihnen die Welt in einfachen Worten erklären und am Ende Dinge beschwören, die größer sind als man selbst. So führen seit zweitausend Jahren Feldherren ihre Soldaten in den Krieg. Und der Professor Karl sein Volk durch die Pandemie. Nicht umsonst kam Olaf Scholz bei der Kabinettsaufstellung am Professor aus Harvard nicht vorbei. Der sprach den Menschen aus dem Herzen. Was dem Scholzomaten selbst wohl nur unter Schmerzen gelingt.

Und dennoch ist Karl Lauterbach gescheitert. Was hat der falsch gemacht? Er ist eben kein Feldherr und wir nicht seine Soldaten. Es gibt in einer Demokratie nicht die Konsequenz von Befehl und Gehorsam zwischen einem Gesundheitsminister und seinem Volk von Krankenversicherten. Und das hat der Gesundheitsgeneral offenbar nicht verstanden. Demokratie lebt vom Widerspruch und der Diskussion. Und genau das ist für Karl Lauterbach wohl geradezu unerhört.

Um das zur erkennen, lohnt ein Blick auf seine Körpersprache. Wer wirklich führen will, dessen Hände weisen den Weg. Wenn Karl Lauterbach vor dem Bundestag spricht, sind seine Hände meist ausgestreckt mindestens auf Brusthöhe, die Handflächen zeigen nach unten. Und mit jedem Wort drücken die Hände die Luft im Raum von oben nach unten. Immer wieder. Seid endlich ruhig, will er damit sagen. Keine Widerworte. Haltet die Klappe, wenn König Karl spricht. Und je lebendiger die Widerworte, je mehr er angegriffen wird, umso höher springen seine Hände und umso kraftvoller „drückt“ er mit seinen Händen den Widerspruch zurück in die Sitzreihen des Parlamentes. Er hält sich Widerspruch nicht nur vom Leib. Das macht der der Bundespräsident in seiner Gestik mit den nach vorne geöffneten Händen. Karl Lauterbach will den Widerspruch bezwingen. Wer Widerspruch bezwingen will, ist aber vom Hochmut getrieben und kann nicht überzeugen.

Und damit sind wir beim Punkt seines Scheiterns. Wer keinen Widerspruch ertragen will, dem steht die Trunkenheit ob der eigenen Bedeutung im Weg, auch Eitelkeit genannt. Und wer seiner Eitelkeit Vorfahrt gewährt, der macht Fehler. Dem ist egal, ob er heute „hü“ behauptet und morgen „hott“. Der Eitle hält sich nicht an Gepflogenheiten und verkündet veränderte Isolationsregeln auch mal rasch über Talkshows. Der Eitle lässt auch mal ein paar Fakten liegen, wenn es ihm gerade passt. Und der Eitle ist am Ende kein guter Arzt, weil der Patient spürt, dass der wohltuende Satz „Das wird schon wieder“ nur rhetorische Maskerade ist für die eigene Bedeutung.

Der Satz kann nämlich heißen: „Ich tue alles dafür, dass es Dir nicht wehtut, vertrau mir.“ Oder: „Ich kann alles dafür tun, dass es Dir nicht wehtut, was bin ich für ein toller Arzt.“ Der Professor aus Harvard zeigt unter dem rhetorischen Brennglas, wie seine Beschwichtigungen motiviert sind. Das wirkt. Aber nur eine Weile. Und diese Weile scheint nun an ihre Grenzen zu kommen, wenn Karl Lauterbach nun nicht einmal innehält und das tut, was die Basis jeder überzeugenden Rhetorik ist: Im Trubel der eigenen Bedeutung und des Erfolges mal wieder in Kontakt mit sich selbst zu kommen. Auch das leistet ein herausragendes Medientraining.

Bild von

Schließen