09.08.2017

Bitte nie wieder ’sozialvertrĂ€glich‘

Warum Manager dieses Wort ersatzlos aus dem Wortschatz streichen sollten, wenn Sie VerÀnderung erfolgreich kommunizieren wollen!

#Rhetorik #Framing #Merck I Heute in den Zeitungen: Das Pharmaunternehmen Merck verlagert ArbeitsplÀtze nach Polen und auf die Philippinen. Und nicht irgendwelche ArbeitsplÀtze. Sondern Kernaufgaben der Verwaltung. Die Buchhaltung. Das Rechnungswesen.

Man kann sich vorstellen: Wahrscheinlich gibt es Menschen, die seit ihrem ersten Arbeitstag vor Jahrzehnten in Darmstadt diese Aufgaben verrichten. Und jetzt arbeitslos werden. Zumindest deutlich Angst davor haben.

Es ist die Chance von Rhetorik, eine solche Nachricht so zu verkĂŒnden, dass sich diese Angst in Grenzen hĂ€lt. Dass die Mitarbeiter weiter motiviert und gesprĂ€chsbereit sind. Dass die VerhandlungsfĂŒhrung und die Stimmungsmache nicht an den Betriebsrat abgegeben wird. Dass das Unternehmen selbst weiterhin der Herr im Hause ist. Diese Chance hat Merck mit verpatzter Rhetorik vertan. Der Betriebsrat lĂ€uft sich schon warm. Und mit dieser Vorlage hat er ein leichtes Spiel.

Dieser Konflikt, ein Klassiker. Und er wĂ€re deutlich entschĂ€rfter, wenn das Management in solchen fĂ€llen nicht immer das Wort ’sozialvertrĂ€glich‘ benutzen wĂŒrde. Was als bewusste Rhetorik fĂŒr Ruhe sorgen soll, dass heizt die Diskussion erst richtig an. Und der Einwand: Mensch, wir machen das doch sozialvertrĂ€glich! Irgendwie funktioniert der nicht. Warum nur?

Perspektivwechsel: Versetzen wir uns mal in die Lage des Kollegen, der die Aufgabe hat, die entsprechende Pressemeldung zu verfassen. Egal in welchem Unternehmen. Die Fakten sind klar. Die ArbeitsplĂ€tze werden verlagert. So – im nĂ€chsten Absatz muss er das nun irgendwie begrĂŒnden.

Kurze RĂŒcksprache mit dem Vorstandsassistenten. Was schreiben wir denn da? Ach, nimm doch irgendwas, was die AktionĂ€re glĂŒcklich macht. Ich schau mal schnell nach, was im Vorstandsbeschluss steht. Uns genauso landet es dann auch in der Pressemeldung. Wir können dann noch erfolgreichere GeschĂ€fte fĂŒhren! So Ă€hnlich steht es immer da.

Die AktionÀre werden jubeln. Doch irgendwie sitzt der Kollege aus der Pressestelle noch immer ratlos da. Ein paar Zeilen sind noch frei auf dem Papier. Was schreib ich denn nun?
Ach, da muss ja auch noch irgendwas hin fĂŒr die Mitarbeiter. Die sind ja möglicherweise beunruhigt, was aus ihrer kleinen heilen Welt wird, aus ihren ArbeitsplĂ€tzen, ihren Familien, ihrer Lebensplanung, ihrem Eigenheim, und all diesen vielen individuellen und persönlichen Kleinigkeiten, die an so einem Arbeitsplatz hĂ€ngen. Wieder der Anruf beim Vorstandsassistenten. Du, was soll ich denn zu den Mitarbeitern schreiben?

Warte mal, ich schau mal nach was ein Vorstandsbeschluss steht. Oh, da steht ja gar nichts. Hm, was schreiben wir denn da? Ach, weißt du was, schreib doch einfach hin, dass die ArbeitsplĂ€tze sozialvertrĂ€glich abgebaut werden. Das geht immer! Da kann auch vom Vorstand keiner was dagegen haben!

Und das schreibt er dann tatsĂ€chlich. Und so steht es dann da. SozialvertrĂ€glich! Sozial-vertrĂ€glich. So-zial-ver-trĂ€g-lich. Man kann dieses Wort aussprechen wie man will, es wird nicht besser. Es ist und bleibt das rhetorische Feigenblatt des Kapitalismus. SozialvertrĂ€glich! Was soll dieses Wort eigentlich sagen? FĂŒr die Stakeholder hat man immer einen guten Grund parat. Bessere GeschĂ€fte. Und die Betroffenen, die wirklich leiden, die speist man mit dem Wort sozialvertrĂ€glich ab. Kein Wunder, dass die sich das nicht gefallen lassen.

Die Absicht ist klar. Es soll irgendwie den Eindruck erwecken, dass man sich um die Mitarbeiter kĂŒmmert, soweit es geht – aber auch nicht weiter. Der Begriff verspricht nichts! Gar nichts! Das Versprechen an die Anteilseigner – bessere GeschĂ€fte – klingt da eindeutig verlĂ€sslicher.

Perspektivwechsel: Versetzen wir uns in die Lage des Mitarbeiters, der nun zumindest weiß, dass sein Arbeitsplatz sozialvertrĂ€glich abgebaut wird. Was heißt ’sozialvertrĂ€glich‘ fĂŒr ihn? Darf er zwei Tage lĂ€nger bleiben als ursprĂŒnglich geplant? Bekommt er ein Monatsgehalt extra, das er dann so versteuern muss, bist sowieso nichts mehr bleibt? Bekommt er einen Blumenstrauß zum Abschied? Oder eine Flasche Wein? Eine Wochenendreise in den Odenwald? Oder noch ein Einkaufsgutschein von Amazon? Was bitte ist sozialvertrĂ€glich?

Perspektivwechsel hin zur Rhetorik – die alles erklĂ€rt: Das aktuelle Zauberwort der Sprachwissenschaftler heißt Framing. Das ist eine alte rhetorische Form, die nichts anderes besagt, als dass man einen Sachverhalt so zu formulieren sollte, dass er auf einen emotional erquickenden Boden beim Zuhörer fĂ€llt. Dass Bilder entstehen, die im Sinne des Kommunikationszieles des Absenders liegen.

Wenn man sich anschaut, was den Anteilseignern zur Verlagerung der ArbeitsplÀtze gesagt wird, da entstehen schöne Bilder. Von mehr Erfolg, mehr Rendite, von etwas mehr Geld in der Kasse. Framing im besten Sinne.

Das Wort sozialvertrĂ€glich ist eindeutig negatives Framing. Es entsteht ĂŒberhaupt nicht irgendein Bild, das dem Kommunikationsziel Unternehmens entspricht. Das Unternehmen will Sicherheit kommunizieren, VerlĂ€sslichkeit, soziale Kompetenz. In dem Wort sozialvertrĂ€glich steckt nichts davon.

Dieses Wort ist absolut egozentriert. Es wĂ€hnt den Absender, den Manager, den Entscheider, in dem Zustand, dass seine eben getroffene Entscheidung ja irgendwie nicht so schlimm sein wĂŒrde. FĂŒr die anderen. Die Namenlosen. FĂŒr ihn persönlich sowieso nicht.

FĂŒr die Mitarbeiter selbst bleibt grenzenlose Unsicherheit. Es entsteht kein einziges Bild von Sicherheit. Es entsteht Angst! Und die bleibt. Die lĂ€hmt ein ganzes Unternehmen.
Das Wort ’sozialvertrĂ€glich‘ ist und bleibt das rhetorische Feigenblatt. Und zwar das kleinstmögliche Feigenblatt. Schon das leisesten LĂŒftchen, sei es durch die Presse oder den Betriebsrat entfacht, zeigt der Öffentlichkeit, welch kleiner Wurm dahintersteckt.

Was sollte ein Unternehmen stattdessen tun? Die Antwort heißt: Storytelling! Das braucht deutlich mehr Zeit und mehr Platz hast das Wort sozialvertrĂ€glich, es mĂŒssen sich auch deutlich mehr Gedanken gemacht werden. DafĂŒr ist das Ergebnis aber auch deutlich ĂŒberzeugender.

Was wir aus diesem Beispiel lernen: Rhetorik hat eben auch immer etwas mit Haltung zu tun. Die kommt zuerst. Und erst dann kommt die Sprache. Und die definiert, was die Betroffenen und die Öffentlichkeit denken. Umgekehrt verrĂ€t Sprache die Haltung. Und genau deshalb bleibt dem Mitarbeiter nach dem Wort sozialvertrĂ€glich nur eines: Angst!

Und wir können lernen: Gerade bei weniger guten Nachrichten lohnt es, Haltung und Sprache zu justieren. Daraus entsteht Rhetorik. Und aus Rhetorik entsteht Erfolg.

Empfehle: Ein strategisches Medientraining! Auch meine Kunden mĂŒssen bisweilen ArbeitsplĂ€tze verlagern, Mitarbeiter entlassen. Sie tun dieser aber nicht sozialvertrĂ€glich. Sondern verantwortungsvoll. Sie tun dies nicht auf dem Papier. Sondern mit einer Haltung. Und sie finden die richtige Sprache dafĂŒr. Stories, mit denen sie Verantwortung dokumentieren. Meine Kunden haben das Wort sozialvertrĂ€glich aus dem Wortschatz gestrichen. Und kommunizieren deutlich erfolgreicher!

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