17.07.2023

Der rhetorische Linnemann – Der neue CDU-General in den Tagesthemen

Man kennt das ja: Die Kinder platzen ins Haus und erzählen die Eindrücke ihres Tages in einem einzigen Wortschwall. Es gibt keinen Anfang und kein Ende. Es ist von allem zu viel. Und dann der Elternspruch: „Langsam, mein Kind! Erzähl nochmal ganz von vorne!“

Das möchte man auch dem neuen CDU-General Carsten Linnemann zurufen. Man ahnt, dass er nach seiner Krönung durch König Friedrich wie ein Kind mit viel zu vielen Geschichten aus dem Adenauer-Haus in die Welt rennt, um über die jetzt nun wirklich startende neue Zukunft der CDU zu berichten.

Also stürmen wir mit General Carsten und seinem Herzen voller Geschichten in die Tagesthemen. Was er denn in der CDU verändern wolle – so ähnlich hieß die Frage. Und dann kommt – in einer Antwort – alles auf einmal: Leistung, Fordern, Fördern, Bürgergeld, Rechtsstaat und der ewige Bauarbeiter, der nicht bis 63 arbeiten kann – alles in einem Satz. Das kann rhetorisch nicht funktionieren.

„Alles drin, in meiner Antwort“ ist aus guten Gründen eben keine überlieferte rhetorische Stilfigur. Da bleibt nämlich nichts hängen. „Gebt ihr dem Volk ein Stück, so gebt es ihm in Stücken“, steht nicht umsonst ganz vorne im ollen Faust.

Eine Maxime der Rhetorik beherrscht Linnemann aber. Die lautet: Bring es mit einem Bild auf den Punkt! Also spricht er von der neuen „Erkennungsmelodie“, die er der CDU geben möchte.

Eine Metapher zu finden für das eigene Wirken – gar nicht so doof. Wenn man bei dieser Metapher für den Aufbruch der CDU (#Erkennungsmelodie) aber das goldene Armband von Dieter Thomas Heck vor Augen schwingen sieht, dann könnte es für das Thema Erneuerung wohlmöglich die falsche Metapher sein.

„Erkennen Sie die Melodie“ ist laut Wikipedia übrigens eine von Johanna von Koczian moderierte Rateshow im ZDF, die 1985 abgesetzt wurde. Der neue Sound der CDU hört sich irgendwie noch immer wie die Plattensammlung von Friedrich Merz an. Selbst der Begriff Soundtrack klingt heute nach Flashdance, Footloose und Kenny Loggins. So schnell kann man sich mit dem gesprochenen Wort in die Vergangenheit katapultieren.

Und spätestens dann, wenn Linnemann verspricht, er wolle mehr ‚Bock auf die Zukunft‘ machen, dann hört sich seine Generalsekretärs-Rhetorik an wie das röchelnde Zwetakter-Mofa des langhaarigen Fritze Merz im Sauerland der späten siebziger Jahre. Mehr Bock? Really? Ganz schön cringe, würden meine Kinder sagen.

Hey, General: Rhetorischer Aufbruch geht anders! Und ansonsten: Für einen Generalsekretär eine ganze Menge zusammengesetzter Substantive à la ‚Grundsatzprogrammkommission‘. Hashtag #Gähn!

Fazit: Es täte Carsten Linnemann gut, wenn er für seine neue Rolle etwas mehr Bock auf Rhetorik hätte und rasch seinen eigenen Sound finden würde.

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