20.08.2023

Reschs Rhetorik Review – aus Politik und Kommunikation

Markus Resch schreibt regelmäßig Rhetorik-Analysen für das Magazin Politik & Kommunikation. Hier die Folge aus dem September 2023.

Rhetorik – No tricks! 
Ich erlebe ja immer wieder, dass Klientinnen und Klienten rhetorische Tricks von mir erwarten. Dann muss ich sie immer enttäuschen: No tricks! Rhetorik ist eine ehrenwerte Wissenschaft. Hier gehts um Strategie und Taktik. Aber nicht um Trickserei. Zumindest nicht bei mir.
Aber dieser Friedrich Merz beherrscht in der Tat aber einen ganz besonderen rhetorischen Trick. Er stellt mit seinen Worten nicht anderen ein Bein. Sondern beinahe immer sich selbst. Das muss man erstmal können.
Erinnern wir uns, es ist ein paar Wochen her. Die Ausgangslage für Merz ist politische Alltagskost. Da stichelt und provoziert mal wieder einer. In diesem Fall Hendrik Wüst aus NRW. Er provoziert den großen Vorsitzenden mit nur einem einzigen Wort. Nämlich: Seine Aufgabe sei ‚vorerst‘ in NRW. ‚Vorerst‘ – das bringt beim Sauerländer Mofa-Rocker offenbar das Zweizylinder-Blut ganz schön in Wallung.
Kleiner Exkurs: Dieter Hildebrandt – seeligen Angedenks – hat mal den schönen Satz geprägt: Denken Sie, in den Türmen der Deutschen Bank schaut oben jemand aus dem Fenster, wenn unten jemand rüttelt? Für die einen ist es Arroganz. Für die anderen Leadership.
Und was macht der Fritze aus dem Sauerland: Er schaut nach der wüsten Provokation nicht nur oben aus dem Fenster seines Merz-Turmes, sondern stürmt gleich höchstselbst alle Stockwerke die Treppen runter bis vor die Tür und gibt dem Hendrik ganz persönlich was auf die Fresse. Indem er das wichtigste CDU-Land (mitsamt seinem starken Landesverband und gut einem Drittel potentieller Kanzlerkandidatenwähler) als politdebiles Notstandsgebiet am Rande des grenzdemokratischen AfD-Ruins beschreibt. Und – wir erinnern uns – dem Ministerpäsidenten ins Buch schrieb, sein Land NRW sei nun politisch auch nicht exzellent gemanagt und die Bürger unzufrieden. Also: Der CDU-Chef macht einen erfolgreichsten Ministerpräsidenten Wüst zur Wurst. 

Fazit für Fritze Merz: Man kann sich als CDU auch rhetorisch selbst zerstören und braucht keinen Rezo dazu. Brilliant! Aber das ist nochmal eine ganz andere rhetorische Geschichte, die wie Pech(stein) und Schwefel am ewigen Merz klebt. Rhetorischer Trick, wenn es denn einer sein muss: Leadership heißt bisweilen auch: Einfach mal die Klappe halten!

Das trifft im übertragenen Sinne auch auf das andere rhetorische Sturmgeschütz der CDU zu, den neuen General Carsten Linnemann.  
Ein kleiner Exkurs: Man kennt das ja: Die Kinder platzen ins Haus und erzählen die Eindrücke ihres Tages in einem einzigen Wortschwall. Es gibt keinen Anfang und kein Ende. Es ist von allem zu viel. Und dann der Elternspruch: „Langsam, mein Kind! Erzähl nochmal ganz von vorne!“
Das möchte man auch dem neuen CDU-General Carsten Linnemann zurufen. Man ahnt, dass er nach seiner Krönung durch König Friedrich wie ein Kind mit viel zu vielen Geschichten aus dem Adenauer-Haus in die Welt rennt, um über die jetzt nun wirklich startende neue Zukunft der CDU zu berichten.
Also stürmen wir mit General Carsten und seinem Herzen voller Geschichten in die Tagesthemen-Sendung am Tage seiner Inthronisierung: Was er denn in der CDU verändern wolle – so ähnlich hieß die Frage. Und dann kommt – in einer Antwort – alles auf einmal: Leistung, Fordern, Fördern, Bürgergeld, Rechtsstaat und der ewige Bauarbeiter, der nicht bis 63 arbeiten kann – alles in einem Satz. Das kann rhetorisch nicht funktionieren.
„Alles drin, in meiner Antwort“ ist aus guten Gründen eben keine überlieferte rhetorische Stilfigur. Da bleibt nämlich nichts hängen. „Gebt ihr dem Volk ein Stück, so gebt es ihm in Stücken“, steht nicht umsonst ganz vorne im ollen Faust.
Eine Maxime der Rhetorik beherrscht Linnemann aber. Die lautet: Bring es mit einem Bild auf den Punkt! Also spricht er von der neuen „Erkennungsmelodie“, die er der CDU geben möchte.
Eine Metapher zu finden für das eigene Wirken – gar nicht so doof. Wenn man bei dieser Metapher für den Aufbruch der CDU aber das goldene Armband von Dieter Thomas Heck vor Augen schwingen sieht, dann könnte es für das Thema Erneuerung wohlmöglich die falsche Metapher sein.
„Erkennen Sie die Melodie“ ist laut Wikipedia übrigens eine von Johanna von Koczian moderierte Rateshow im ZDF, die 1985 abgesetzt wurde. Der neue Sound der CDU hört sich irgendwie noch immer wie die Plattensammlung von Friedrich Merz an.
Und spätestens dann, wenn Linnemann verspricht, er wolle mehr ‚Bock auf die Zukunft‘ machen, dann hört sich seine Generalsekretärs-Rhetorik an wie das röchelnde Zweitakter-Mofa des langhaarigen Fritze Merz im Sauerland der späten siebziger Jahre.
Erkennungsmelodie und Bock auf Zukunft! Rhetorischer Aufbruch geht anders! Und ansonsten verwendet Linnamann für einen Generalsekretär eine ganze Menge zusammengesetzter Substantive à la ‚Grundsatzprogrammkommission‘. Aktivieren geht anders.

Fazit: Es täte Carsten Linnemann gut, wenn er für seine neue Rolle etwas mehr Bock auf Rhetorik hätte und rasch seinen eigenen Sound finden würde.

Es soll in dieser Rubrik aber nicht nur um den rhetorisch doch arg röchelnden Merz-Flügel der CDU gehen. Sondern auch um die SPD. Es wurde ja auch viel diskutiert. Über diesen SPD‘ler aus Meck-Pom. Und sein Interview, in dem er den immergleichen Satz unaufhörlich wiederkäut. Da ergeben sich folgende vier Fragen:
Erste Frage: Darf ein Interviewpartner in einem Interview ‚seine‘ Antwort geben? Antwort: Na klar! Deswegen macht er das Interview ja. Ein Interview ist in erster Linie ein Kanal hinein in den Diskurs zur Bildung einer öffentlichen Meinung.
Zweite Frage: Sollte man das so ungelenk tun, wie der SPD-Mann hier? Antwort: besser nicht!
Dritte Frage: Digga, warum sagst Du nicht einfach, dass die Sozen-Sause 15 Mille gekostet hat? Kommt doch sowieso raus. Scheibchenweise gibt’s vielleicht Wurst. Aber definitiv keine rhetorische Kraft.
In diesem Sinne ist Rhetorik in meinen Coachings niemals irgendeine ‚Technik‘ zum ‚Bridgen‘, Tricksen oder für einen eleganten Exit. Sondern immer eine Haltungsübung. Wer Haltung hat und diese rhetorisch zeigt, der windet sich nicht so ungelenk wie der Herr Da Cunha. Denn was uns am meisten an ihm ärgert, ist ja nicht seine Wiederholungssuppe. Sondern das Rückgrat, das ihm in dieser Situation offensichtlich fehlt. Da hilft dann auch kein Medientraining.
Und jetzt ist diese Rubrik beinahe am Ende und da ist Carsten Linnemann schon wieder im Morgenmagazin. Keine schlechte Bühne, um die Themen des Tages zu setzen. Und seine erste Antwort beginnt mit: „Ich war ja auch Chef der Grundsatzkommission…“
Also, zum Mitschreiben: Ein Satz, der mit „ich“ beginnt, kann nur in die Hose gehen. Es sei denn, es folgen die beiden Worte „liebe Dich“. Und was die Grundsatzkommission ist, das wissen wahrscheinlich nicht mal alle CDU-Mitglieder. Und ganz bestimmt nicht die Zuschauer des Morgenmagazins. Ansonsten legt er die Stirn in Falten und betont immer die vorletzte Silbe eines Satzes. Steht irgendwo, dass dies ein Trick sei, um entschlossener zu wirken? Und ansonsten: Floselalarm: Es geht um die Geschlossenheit der Partei, die Breite der Themen und inhaltliche Schlagkraft. Ich kenne da einen Trick: Nicht auf der Meta-Ebene über die Themen sprechen. Sondern Klartext zu den Themen. Leider: Wegen dieses Interviews im Morgenmagazin hätte der General seinen Wecker nicht so früh stellen müssen. 
Bild von

Schließen